Stellungnahme der Bischofskonferenz der Vereinigten
Evangelisch-Lutherischen Kirche zum 9. November 2023,
dem Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome vor
85 Jahren
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Wir sind bestürzt darüber, dass zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome Jüdinnen und Juden in Deutschland erneut durch antisemitisch motivierte sprachliche und reale Gewalt bedroht werden. Die unheimliche Aktualität des Gedenktags veranlasst uns, eine Selbstverständlichkeit zu betonen: Jüdisches Leben muss in Deutschland unbeschwert möglich sein.
Es ist unerträglich, wenn mitten in deutschen Großstädten antisemitische Parolen gegrölt und plakatiert werden, wenn Synagogen, jüdische Friedhöfe und Mahnmale polizeilich beschützt werden müssen, wenn jüdische Eltern Angst haben, ihre Kinder in Kitas und Schulen zu schicken.
Die Berufung auf Martin Luther verpflichtet uns zu einer ausgeprägten Sensibilität für jeden
despektierlichen Umgang mit der jüdischen Religion, ihren Gläubigen, ihren heiligen Orten
und ihren Symbolen. Luthers antijudaistische Schmähungen, auf die sich auch die
Nationalsozialisten in ihrem antisemitischen Furor berufen haben, stehen für uns im
denkbar größten Gegensatz zu dem Glauben an den einen Gott, der sich in dem Juden Jesus
offenbart hat. Wir sehen uns deshalb in besonderer Verantwortung, im Erinnern an die
schreckliche Geschichte der Deutschen im Umgang mit Jüdinnen und Juden für ein
Miteinander aller Menschen im Geist der Nächstenliebe zu werben – ein Gebot der Tora,
das Jesus als ›höchstes Gebot‹ unterstreicht. Wir rufen alle in Deutschland Lebenden, ob
gläubig oder ungläubig, dazu auf mitzuhelfen, das Land des einstigen Naziterrors zu einem
Land des friedlichen Miteinanders und gegenseitigen Respekts zu machen und als solches zu
erhalten.
Der Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome gehört seit 2018 zu den offiziellen
Gedenktagen der Evangelischen Kirchen in Deutschland. Allen Gemeinden, die am
9. November gottesdienstliche Formen planen, legen wir die liturgischen Texte ans Herz, die in
der Perikopenordnung vorgeschlagen werden. Mit den Worten des Eingangspsalms können
wir unsere Bestürzung klagend an Gott richten:
»Mache dich auf, Gott, und führe deine Sache;
gedenke an die Schmach, die dir täglich von
den Toren widerfährt« (Psalm 74,21).
Aus dem gleichen Text nehmen wir die Zuversicht, dass wir nicht ins Leere rufen:
»Gott ist ja mein König von alters her, der alle Hilfe tut, die auf Erden geschieht« (12).
Ulm, November 2023
Landesbischof Ralf Meister (Hannover), Vorsitzender
Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Schwerin),
Stellvertretende Vorsitzende
Landesbischof Tobias Bilz (Dresden)
Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy (Stade)
Vizepräsident Dr. Ralph Charbonnier (Hannover)
Oberlandeskirchenrat Dr. Thilo Daniel (Dresden)
Bischöfin Kirsten Fehrs (Hamburg)
Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner (Bayreuth)
Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern
(Nürnberg)
Bischof Tilman Jeremias (Greifswald)
Landesbischof Christian Kopp (München)
Landesbischof Friedrich Kramer (Magdeburg)
Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg)
Landesbischof Dr. Christoph Meyns (Wolfenbüttel)
Regionalbischof Dr. Johann Schneider (Halle)
Bischöfin Nora Steen (Schleswig)
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